Kommando. Spezial. Kräfte.
Oktober 2022
Ich muss es an dieser Stelle jetzt mal sagen: Die Idee stammt von mir! Ob Sie es glauben oder nicht. Urheberrechtlich gesehen bin ich mir auch sicher, dass ich das sagen darf, immerhin ist das ja unteilbar und bleibt beim Erfinder. Nutzungsrechtlich sieht das schon anders aus, schließlich habe ich die Idee für und innerhalb der Bundeswehr gehabt, an die ich seit meinem Dienstantritt als Wissenschaftliche Leiterin im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr im September 2020 meine Seele verkauft habe. Aber das ist eine andere Geschichte.
Vermutlich aber ist nicht mal das Nutzungsrecht das Problem für meine Offenbarung, sondern die Pflicht zur Geheimhaltung. Irgendwie ist bei der Bundeswehr immer alles geheim. Und damit meine ich nicht das KSK (Elitetruppe, Geheimoperation, Sie wissen schon), sondern museale Belange wie die Ausschreibungsunterlagen für einen Gestalter oder die verfügbare Summe für einen Auftrag zur Provenienzforschung. Mitunter ist sogar der Menüplan der nächstgelegenen Kaserne „Verschlusssache und nur für den Dienstgebrauch“. Wie dem auch sei, ich riskiere es.
Ich weiß noch genau, wie aufgeregt ich war, als ich – sozusagen meine erste Amtshandlung – noch im September von Dresden nach Stuttgart geflogen bin, wo mich ein Hüne von Soldat im Kampfanzug spät abends eingesammelt hat. Während der Fahrt erzählte er mir von den bisher wenig erfolgreichen Bemühungen zur Einrichtung des Besucherzentrums, während ich mich die ganze Zeit fragte, ob er wohl ein „Kommandosoldat“ war. (Später erfuhr ich, dass er keiner war.) Das klang in meinen Ohren geradezu mystisch. Dabei war mir sonnenklar, dass auch ich dem weit verbreiteten Irrglauben erlegen war, „das KSK“ bestehe ausschließlich aus mutigen Helden, die auch mich bei einer Geiselnahme im Ausland retten würden. Stattdessen lieferte er mich mit dem Y-Kleinbus in einem Kaff in der Nähe von Calw in tiefster Dunkelheit in einer Art Hotel an einem bewaldeten Hang ab. Es war kalt, und die undurchdringliche Stille steigerte noch meine Anspannung.
Am frühen Morgen holte mich ein anderer Soldat ab und brachte mich in die für mich ebenfalls sagenumwobene Graf Zeppelin-Kaserne. Verträumt betrachtete ich den Sprungturm im Eingangsbereich und sah die tapferen Krieger (ganz klar nur Männer) beim Fallschirmtraining vor mir. Zurück in die Realität brachte mich der schlichte Tagungsraum vor dem internen Bereich der Kaserne, in dem wir zusammenkamen, um über das zukünftige Besucherzentrum zu sprechen. Dieses war eine von 60 Maßnahmen, die das Bundesverteidigungsministerium angeordnet hatte, um den Verband nach mehreren Fällen rechtsextremistischer Gesinnung zu reformieren. Mit der Eröffnung im September 2022 ist der Maßnahmenkatalog nun abgeschlossen.
In dem Tagungsraum traf ich neben mehreren Soldaten (tatsächlich nur Männer), die sich mehr oder weniger freiwillig um das Besucherzentrum kümmerten, auch auf den Kommandeur. Schnell war ich in meinem Element, als es um die Entwicklung von Ideen, eine mögliche Struktur, Themen und Objekte für die Ausstellung ging. Im Laufe der lebhaften und offenen Diskussion habe ich meine Idee der drei Bereiche auf die Flipchart gemalt: KOMMANDO. SPEZIAL. KRÄFTE. 1. Der Verband als Teil der Bundeswehr auf dem Fundament der Verfassung, 2. seine Besonderheiten bei dem Auftrag, der Ausrüstung und den Fähigkeiten und 3. die Menschen, die dahinterstecken und im Umfeld beteiligt und betroffen sind.
Die Idee hatte ich eine Woche zuvor auf der Rückfahrt von einer Dienstbesprechung in Berlin nach Dresden gehabt und sie mit drei Zahnrädern eines perfekten Uhrwerks in Verbindung gebracht und gezeichnet. Die Punkte – ganz wichtig und im Laufe des weiteren Konzeptionsprozesses immer mal wieder verschwunden – sollten an die Bundeswehr-Kampagne „Wir. Dienen. Deutschland.“ und damit an die feste Bindung an das Grundgesetz erinnern.
Ich war nach dieser Besprechung noch mehrmals in Calw, auch zusammen mit einem Kollegen aus Dresden, der den Verband schon bei der Einrichtung des „Flurs der Geschichte“ im Innern der Kaserne beraten hatte. Ihm habe ich es auch zu verdanken, dass ich tatsächlich Krieger und Kämpfer kennengelernt habe. Darunter aus einer ganz speziellen Einheit. Das ist nun aber wirklich geheim.
Inzwischen kenne ich auch den Unterschied zwischen Unterstützungskräften und Kommandosoldaten (bisher nur Männer), weiß dass die Rambos und Supermänner woanders zu suchen und die Kampfschwimmer genauso toll sind. Von dem Mythos kann ich mich aber doch nicht ganz lösen, und weil ich aus zuverlässiger Quelle vernommen habe, dass auch das Herz der Wehrbeauftragten für das KSK schlägt, gönne ich mir dieses Luftschloss. Und freue mich, dass es die drei Zahnräder und der Slogan KOMMANDO. SPEZIAL. KRÄFTE. bis ins Besucherzentrum geschafft haben. Wer hat’s erfunden?
Titelfoto: Das Gebäude des Besucherzentrums, © K. Janeke