Die biographischen Angaben gehen zurück auf Archivdokumente, Angaben aus der
Familie Büchtger, die in der Bibliographie genannten Künstlerlexika (die sich
teilweise widersprechen bzw. nicht in allen Fällen durch Recherchen bestätigt
werden konnten), Ausstellungsbesprechungen sowie weiterführende Recherchen
im Rahmen dieses Projektes.
Robert Büchtger (andere bzw. irrtümliche Schreibweisen: Büchtiger, Böttcher,
Buchtger) wurde am 23.9.1862 in St. Petersburg geboren. Sein Vater, Herrmann
Wilhelm Büchtger, stammte aus Kurland und war nach seiner Übersiedlung in die
russische Hauptstadt als Kunstschreiner tätig. Seine Mutter war Caroline Antoinette
Amalie, geb. Schotte. Büchtger besuchte das Polytechnische Gymnasium in Riga.
Im Rahmen der Hausmusik spielte er die Blockflöte.
Büchtger widmete sich intensiv dem Eiskunstlauf und errang in dieser Disziplin
zahlreiche Preise, darunter 1887 den bayerischen Meisterschaftstitel.
Zu seinen sportlichen Aktivitäten vgl. Panin-Kolomenkin und:
www.spbumag.nw.ru/2001/08/15.html
lib.sportedu.ru/GetText.idc?TxtID=619
www.tulup.ru/articles/52/urok_perviy.html
www.engis.ru/isugrandprix01/history/historyrus.html
www.tulup.ru/articles/235/glava_7_tverdye_principy_i_ih_sobljudenie.html
www.liveinternet.ru/showjournal.php?journalid=2794724&tagid=16778
www.skating.com.ua/old/kolomenkin.htm
www.skateclass.ru/articles/52/urok_perviy.shtml
Sein Interesse jedoch galt eher der Malerei, der er sich seit seinem 19.
Lebensjahr zuwandte. Er wurde an der Petersburger Kunstakademie aufgenommen
und studierte
seit 1879 bei Ilja Repin, Ivan Šiškin und Gavril Kondratjenko und Vladimir
Orlovskij. Inwieweit es sich um ein geregeltes Studienverhältnis zu Repin
oder um einzelne Begegnungen handelt, lässt sich nicht nachweisen. Repin
hielt sich
wenig in St. Petersburg auf und zog erst 1882 wieder in die Stadt. Erst
nach den Reformen an der Akademie 1894/95 wurde er als Lehrer an die Hochschule
berufen. Repin und Šiškin vertraten zudem zu diesem Zeitpunkt eher
anti-akademische
Auffassungen. Der einzige direkte Bezug Repins zu Büchtger stammt aus einem
Brief an Marianne Werefkin. Im heutigen Museum der Akademie ist kein Nachweis von Büchtger vorhanden.
Mit Kondratjenko bereiste Büchtger den Kaukasus, der viele seiner frühen
Werke inspirierte. Mit Franz Roubaud reiste er Mitte/Ende der 80er Jahre
nach Tiflis
(Bühler: 83, 138). 1880 nahm er an einer Ausstellung in St. Petersburg
teil. Bis 1897 unternahm er viele Reisen zwischen Ost und West, darunter
auch nach
München, wahrscheinlich im Zusammenhang mit seinen sportlichen Aktivitäten,
wohl aber auch aus gesundheitlichen Gründen. Dort war er im Winter 1890/91
offenbar an der Gründung des ersten mitteleuropäischen Skiclubs beteiligt,
der auf einen internationalen Sportverein zurückgeht, den Büchtger in St.
Peterburg initiierte.
„In den achtziger Jahren hatten der Münchner Maler und Eiskunstläufer Robert Büchtger und der Gesandtschaftssekretär Georg Helfreich in St. Petersburg Skilaufen auf finnische Art erlernt. Beide gründeten dort einen Sportverein und führten zusammen mit anderen Deutschen, Engländern, Skandinaviern und Einheimischen Skirennen auf der zugefrorenen Newa durch. Dabei verwendeten sie meist die über drei Meter langen, federnden Kajana-Skier aus Birken- und Föhrenholz. Als nun Büchtger wieder nach München heimkam, beschaffte er 1889 auch seinen Münchner Eislauffreunden, die sich für diesen Sport interessierten, solche Skier aus Finnland. Eisläufer waren es also, die 1890 den ‚Skiclub München’ gründeten.“ (Polednik)
1881 begann Büchtger ein Studium an der Düsseldorfer
Akademie bei den Professoren Jansen, Krola, Lauenstein und Eduard von Gebhardt
(?), kehrte aber bald wieder
zurück nach St. Petersburg. 1886 studierte er an der Münchner Akademie (auch
hier gibt es keinen Nachweis in den Matrikelbüchern),
nach eigenen Angaben bei den Professoren Eduard Schleich, Neuen, Velten,
Kovalskij und Roubaud. 1887 ging Büchtger nach Paris, später nach Breslau,
wo er selbständig
arbeitete. Abermals kehrte er nach St. Petersburg zurück und unternahm von
dort weitere Reisen innerhalb Russlands. Er begann mit dem Studium russischer
Volkstypen, die sein Frühwerk kennzeichnen. In den folgenden Jahren lebte
er teils in München, teils in Russland. Nach einem Beinbruch entschied er
1888,
sich endgültig in München niederzulassen. Als Adressen sind in den Katalogen
der Glaspalast-Ausstellungen für die Jahre 1894 und 1895 die Sophienstraße
5A, seit 1900 die Schellingstraße 54 genannt.
Aber auch nach seinem Umzug nach Deutschland fühlte er sich seiner Heimatstadt
Petersburg/Leningrad verbunden. Davon zeugen sein Antrag auf die Ehrenbürgerschaft
und sein diesbezüglicher Schriftwechsel mit der Akademie der Künste in Petersburg
1905/1906 (RGIA f. 789). Die Ehrenbürgerschaft wurde ihm mit Schreiben vom
31. April 1906 zuerkannt.
1898 (oder 1899) heiratete er Marie von Lehmann (geb. 17.7.1861 in Neu-Ulm,
gest. 21.1.1958 in München), die Tochter des bayerischen Generals a.D. von
Lehmann. Ob dies Generalleutnant Friedrich Karl Adolf von Lehmann (1832-1914)
war (bayerische Adelmatrikel),
bedarf der Überprüfung. Aus der Ehe gingen eine Tochter (Olga Karolina Maria,
geb. 1900 in München, gest. 21.1.1902 in München) und ein Sohn hervor, der
spätere Komponist Fritz Büchtger. Gemeinsam bewohnten sie eine Wohnung in
der Schellingstraße 54, im Dachgeschoss des Hauses vom Schelling-Salon,
in dem bis heute Bilder von Büchtger an ihn erinnern.
In der Malerei verlegte er seinen Schwerpunkt auf Landschafts-, Tierstudien
und deutsche Volkstypen, gelegentlich kehrte er zu russischen Motiven zurück.
Seine Stärke jedoch blieb stets die Portraitmalerei, auch wenn er sie häufig
nur zum Gelderwerb betrieb, wie seine Briefe an den Schriftsteller Josef
Ruederer ⇒ Link zwischen 1908 und 1913 bezeugen. Von seiner zeitweise großen
wirtschaftlichen
Notlage zeugt auch ein Brief an Ludwig Thoma (Münchner Stadtbibliothek, Monacensia
/ Literaturarchiv) aus dem Jahre 1920 ⇒ Link. Zu einem späteren Zeitpunkt
hatte Büchtger eine Ferienwohnung in Rottenbuch, wo er sich mit Künstlerfreunden
traf. In dieser Zeit sind viele Gemälde bayerischer Seen entstanden, die
meist
einen Sonnenuntergang zeigen. Man nannte ihn daher auch den „Sonnenmaler“.
Aus den vorhandenen Dokumenten und Berichten über Büchtger lässt sich entnehmen,
dass Büchtger keinen Kontakt zu den Vertretern der russischen Avantgarde
in München hatte. In mehr oder weniger engem Kontakt stand er zu Marianne
von
Werefkin, Ludwig Thoma, Eduard Kaempffer und Franz Roubaud (vgl. dazu auch
RGIA f. 789). Mit letzterem verband ihn eine Freundschaft, was auch Sylvia
Roubaud, die Enkelin des Malers, bestätigt, deren Mutter mit Fritz Büchtger
befreundet und selbst Musikerin war. Büchtger war er an einigen Großprojekten
Roubauds beteiligt, darunter die Ausmalung der Ruhmeshalle in Tiflis (Bühler:
83, 138). An Franz Roubauds Panoramagemälden in Sewastopol oder Moskau war
Büchtger nicht nachweislich beteiligt.
Büchtger nahm an Ausstellungen in Aachen, Barmen, Berlin Breslau, Coburg,
Danzig, Dresden, Gießen, Hannover, Köln, Leipzig, München, Plauen, Rosenheim,
Rostock,
Speyer, Stettin und an mehreren Wanderausstellungen teil. Er war seit 1888
Mitglied der Münchner Künstlergenossenschaft und des Kunstvereins München
e.V. Er war an vielen Ausstellungen im Glaspalast in München beteiligt. Am
28.3.1951
starb er in seiner Wohnung in der Schellingstraße über dem Schellingsalon
und wurde in München auf dem Waldfriedhof (Sektion 119, 119-W-5) beerdigt.
Der Vater Herrmann Wilhelm Büchtger
Herrmann Büchtger wurde 1818 in Vindava (heute: Ventspils, Litauen) geboren
(zur Biographie siehe Bott). 1831 kam er in die Ausbildung nach Riga mit
anschließender Ausbildung zum Zimmermann. Es folgten Arbeitsjahre in Riga
und verschiedenen
deutschen Städten. Wie viele Deutsche es im 19. Jh. taten,
ließ sich auch Herrmann Büchtger 1850 in St. Petersburg nieder. Er arbeitete
zunächst beim Zimmermann Sass, eröffnete aber schon nach einem Jahr eine
eigene Werkstatt. Seit 1860 hatte er eine eigene Fabrik, in der 40 Menschen
arbeiteten.
1862 erhielt er den Titel des Hoflieferanten des Großfürsten Michail Nikolajevič
(vgl. Skurlov, Bott). 1896 verstarb Büchtger.
In der Zeit von 1860 bis 1890 taucht Büchtgers Name bei vielen Ausstellungen
und Publikationen auf. 1885 zum Beispiel erhielt er die „Goldene Stadtmedaille“
für die „hervorragende Ausführung von Möbeln in verschiedenen Stilen“. Eine
Vorstellung von seinen Möbeln gibt ein erhaltenes Fotoalbum (Mebel’ russkich
dvorcov) mit über 1000 Stücken. Büchtger nahm Bestellungen für die Innenausstattung
von Häusern, Eisenbahnwaggons, Schiffen und Jachten an.
Von Büchtger stammt u.a. die Ikonostase in der Kirche der Mariä Verkündigung
in Petersburg.
Weiterhin befinden
sich erhaltene Arbeiten von Büchtger nachweisbar im Museum der Stadt
St. Petersburg,
in Carskoe Zelo und Peterhof bei Petersburg und in einer Berliner Privatsammlung.
Ein Toilettentisch (Petersburg 1870)
entstand nach einer Zeichnung von I.A. Monigetti, mit dem Büchtger lange
zusammenarbeitete. Für die Arbeit wurde Büchtger mit einer Medaille ausgezeichnet.
Nach Entwürfen
von Monegetti stattete Büchtger auch eine Jacht und Eisenbahnwaggons des
Zaren aus.
1871 produzierte er nach Zeichnungen des Architekten M.E. Mesmacher eine
Ikonostase, Schirme, eine Bibliotheksschrank, Sockel, Regale und Spiegel
am Hof des Großfürsten
Vladimir Aleksandrovič.
Eine Erwähnung Büchtgers sowie eine Anmerkung zu seinem Stil findet sich
auch unter: http://www.tycobki.ru/song/russti.html
Seinen Wohnsitz hatte Büchtger gemäß Adressbuch 1867 in der Bol’šaja Meščanskaja
37, Whg. 33, 1892 am Anglijskij Prospekt 8-10.
Seine 1860 eröffnete Werkstatt befand sich in der Bol’šaja Meščanskaja Ulica.
1885 befand sie sich in Büchtgers eigenem Haus am Anglijskij Prospekt
8-10. Zeitweise befand sich die Werkstatt in der Ul. Millionaja 25, einer
sehr guten
Adresse im damaligen St. Petersburg.
Die Brüder Aleksandr Harald und Herrmann Eduard Büchtger
Über die Brüder ist wenig bekannt. Harald (vgl. Kondakov) wurde 1860 geboren und studierte an der Kunstakademie Architektur (seit 1878).
Für 1882 und 1883 sind Auszeichnungen für sein Werk nachweisbar. Später war er als Architekt in Petersburg tätig (vgl. Klimov).
Er war mit Lucilla Edviga, geb. Pleu, verheiratet und hatte eine Tochter (Gabriela). Sein Wohnsitz war 1903 in der Širokaja ulica 8, 1904 am
Apterskij prospekt 2, 1910 Novoderevenskij učastok, Černaja rečka 51.
Herrmann Eduard Büchtger (1864-1909) lebte als Kaufmann in St. Petersburg. Er war mit Maria Daridovna verheiratet.
Die Schwester Lina Paulina Büchtger
1859-1864
Die Nichte Gabriela Joanna Margarita Haraldovna Büchtger (vgl. RGIA, f. 789)
Die Tochter des Bruders von Robert Büchtger wurde am 18.3.1891 in Petersburg
geboren und 27.4. in der evangelisch-lutherischen Kirche getauft. Weiterhin
ist bekannt, dass sie sich seit 1910 an der Akademie der Künste Architektur,
u.a. bei L.N. Benois, studiert hat. 1910 reiste sie zu Studienzwecken durch
Russland. Kurz darauf erkrankte sie an den Lungen und musste ihr Studium
unterbrechen.
1913 bat sie bei der Akademie um Erlaubnis, den Künstler Stefan Francevič
Groėr, geb. am 22.10.1881, heiraten zu dürfen. Mit ihm reiste sie nach Paris.
Sie
hatte nachweislich zwei Kinder. Nach 1917 blieb die Familie in St. Petersburg.
Gabriela hatte weitere Geschwister, die also Nichten und Neffen von Robert
Büchtger waren: Herrmann Büchtger (1895-1918), Marlehn Büchtger (1889-1951),
Georg Büchtger (1887-1889).
Der Sohn Friedrich (Fritz) Hermann Robert Büchter
Der Komponist Fritz Büchtger (* 1903) wurde durch sein musikalisches Elternhaus geprägt und entschied sich, selbst
Musiker zu werden. Er studierte an der Akademie für Tonkunst in München.
1927 gründete er zusammen mit weiteren Musikerkollegen die "Vereinigung für zeitgenössische Musik" in deren
Rahmen zahlreiche Konzerte veranstaltet wurden.
1928 wurde er Chorleiter der "Christengemeinschaft" in München und begann, sich intensiv mit dem Schriften Rudolf Steiners auseinanderzusetzen.
Im selben Jahr heiratete er die Elisabeth Cullmann (1900-1974), die sowohl
von Fritz als auch von Robert Büchtger Büsten anfertigte. Die Ehe blieb kinderlos.
Nachdem die Fortsetzung seiner musikalischen Arbeit unter zunehmend schwierigen
wirtschaftlichen Bedingungen zu leiden hatte, näherte er sich den Nationalsozialisten
an. 1933 bis 1938 war er Mitglied der SA, trat aber 1938 auf eigenen Wunsch
wieder aus. 1940 zog man ihn als Hilfspolizist ein, später wurde er als Singleiter
zur Ausbildung, ab 1943 aufgrund „weltanschaulicher Unzuverlässigkeit“ 1943
an der Ostfront und in Jugoslawien eingesetzt. 1945 erfolgte die Entlassung
nach einer Verwundung.
Nach dem Krieg nahm Büchtger seine musikalische Tätigkeit wieder auf. 1948
übernahm er die Leitung des "Studios für Neue Musik", 1951 wurde er Lehrer in der Rudolf-Steiner-Schule. Für sein Werk und seine
Tätigkeit erhielt er zahlreiche Preise.
1974 starb seine Frau, 1976 siedelte Büchtger in eine Seniorenresidenz um.
Die künstlerischen Werke aus dem Nachlass seines Vaters Robert Büchtger,
die sich bis dahin größtenteils in der Wohnung über dem Schellingsalon befunden
hatte, verschenkte er gemäß testamentarischer Verfügung seines Vaters an
die
Städtische Galerie im Lenbachhaus, Freunde und die Christengemeinschaft.
1978 starb Fritz Büchtger bei einem Autounfall.
Fritz Büchtger äußerte sich mehrfach über seinen Vater dahingehend, dass
dieser nicht modern gewesen sei, sich z.B. der russischen Avantgarde in München
nicht
angeschlossen habe. Er selbst wollte sich durch seine Neue Musik davon absetzen.
Mit Russland verband ihn wenig, er schrieb einige Werke mit Bezug zu Russland
[Op. 3: „Drei kleine Motetten“ – „“Der Mensch“ (M. Claudius) – 2 „Der Pilger“
(russ. Volkslied) – 3 „Der Tod“ (Claudius), in: Handbuch der Chormusik S.
198] und hatte Kontakt zu dem russisch-amerikanischen Komponisten und Pianisten Alexander Čerepnin.
Bis heute finden sich Werke von Čerepnin und Büchtger in der
Beljaev-Musikgesellschaft.
Es ist nicht bekannt, ob das Zentrum russischer Kultur in München Mir e.V. Veranstaltungen zu Robert Büchtger im Programm hatte
oder hat.
Aus einem Brief Fritz Büchtgers vom 20.5.1977 (anlässlich Umzug ins Altersheim)
geht hervor, dass er Möbel und Gemälde an Freunde übergab, damit diese “[…]
für zukünftige Gedächtnisausstellungen zur Verfügung stehen”.
Fotos und Dokumente zur Biographie Robert Büchtgers
und seiner Familie